„Das Nusszweiglein“
Das Ungeheuer fährt in der Kutsche vor.
Die neue CD mit Sprache und Musik in der Edition See-Igel gehört zu den düstereren in der Reihe. Ein grässliches Untier, das in der schwarzen Kutsche vorfährt, spielt darin eine Schlüsselrolle. Ludwig Bechsteins Märchen »Das Nusszweiglein« ist sozusagen eine Kombination aus »Die Schöne und das Biest« und jener Geschichte der griechischen Mythologie, die Mozart in seinem »Idomeneo« verarbeitet hat: Um sich vor einem Ungeheuer zu retten, muss ein Vater versprechen, diesem das erste Wesen zu opfern, das ihm bei der Rückkehr begegnet. Im »Idomeneo« ist das Ungeheuer Meeresgott Poseidon, im »Nusszweiglein« ein Monsterbär im Wald. Im »Idomeneo« ist es der Königssohn, der sich dem Vater als Erster nähert, im »Nusszweiglein« die jüngste Tochter des Kaufmanns.
Die Reutlinger Produzenten der preisgekrönten See-Igel-Reihe, Ute Kleeberg und Uwe Stoffel, haben die besondere Atmosphäre von Bechsteins Märchen stimmig in Sprache und Musik eingefangen. Stücke von Reinhold Glière, Leo Ornstein, Franz Schreker, Robert Schumann und Richard Strauss geben der Geschichte eine spezielle Färbung. Die Sehnsuchtsmelodien von Strauss’ Hornstück und Schumanns Fantasiestücken für Violine, Cello und Klavier entfalten dabei die Vorstellung von Waldesdunkel und einer goldenen Vergangenheit. Ornsteins Prélude für Cello und Klavier sowie Schrekers Musik-Fragment »Der Wind« für Violine, Klarinette, Horn, Cello und Klavier beschwören hingegen das Fantastische und Unheimliche. Gespielt wird das ganz wunderbar von Uwe Stoffel, Klarinette, Amanda Kleinbart, Horn, Kirsten Harms, Violine, Helmut Menzler, Cello, und Thomas Wellen, Klavier.
Eingebettet in diese Klangwelt entfaltet der Text in der Bearbeitung von Ute Kleeberg seine besondere Magie. Wie aus alten Zeiten steigen fast vergessene Begriffe und Formulierungen hoch. Und für die Dramatik und das Unheimliche der Geschichte hat der Vorleser Samuel Weiss ein besonderes Händchen. Der Schweizer Schauspieler und Regisseur spielte bis 2012 am Hamburger Schauspielhaus, war aber auch schon in Tatort-Folgen zu sehen. Weiss hat aber auch ein Gefühl für die goldene Märchenstimmung, die so schön aus der Musik herausleuchtet. Eine gelungene und fesselnde CD – sofern die Kinder eine gute Portion Gruselstimmung vertragen. (akr)
21.11.2014 – Reutlinger Generalanzeiger Armin Knauer
DIE NEUE CD – Bechstein-Märchen mit Musik