himmelweit

Posted on Mai 14, 2012 in Presse

Henze, Hans Werner / Igor Strawinsky
Himmelweit
Ein Konzert für Kinder

Interpret: Christian Brückner (Erzähler), SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Ltg. André de Ridder
Verlag/Label: Edition See-Igel SG030
Rubrik: CDs
erschienen in: das Orchester 05/2012, Seite 80

Ach, wer doch das könnte, nur ein einziges Mal! Der große Menschheitstraum vom Fliegen, in diesem Märchen Himmelweit wird er wahr! Der Knabe Florin kann nicht nur wunderbare Geschichten erzählen, die den Menschen in seinem kleinen mongolischen Dorf das Herz wärmen, er kann auch zwei große Flügel aus Vogelfedern anlegen, mit dem Wind laufen – schneller und immer schneller –, und schon hebt er ab. Traumhaft! Ute Kleeberg hat eine Geschichte voller Fantasie und zauberhafter Bilder erfunden, von Christian Brückner märchenhaft erzählt.

Schon Nils Holgersson und Ikarus lehren uns, dass nichts ewig währt auf dieser Welt, und so ergeht es auch Florin: Gegen seinen Willen landet er und muss sich in der Fremde bewähren. Wie’s weitergeht, wird nicht verraten.

Die Edition See-Igel hat sich der Produktion von CDs zum Thema Musik und Sprache für Menschen ab fünf Jahren verschrieben und mit ihren Produkten schon viele Preise „eingespielt“. Bisher hatte man auf bekannte Märchen und Geschichten zurückgegriffen und diese mit Auftragsmusiken umspielt. Besonders gelungen: Ferdinand, der Stier von Munro Leaf mit ergötzlicher Musik von Rolf Liebermann. Marthe Keller spricht mit ihrer unvergleichlichen Gretchenstimme!
Bei Himmelweit ist nun alles anders. Das SWR Sinfonieorchester hatte offenbar einen verbindenden Text für Musik von Hans Werner Henze (Fünf Botschaften für die Königin von Saba, Satz 1, 4, 5) und von Igor Strawinsky (Feuervogel, Ballett bzw. Suite, in Ausschnitten) bei Ute Kleeberg in Auftrag gegeben für ein Kinderkonzertprogramm. Auf der CD ist der Mitschnitt dieses Konzerts zu hören. Das Orchester unter seinem Dirigenten André de Ridder spielt diese programmatischen Stückchen wunderbar hörsam, und die Musikabschnitte sind so lang bzw. kurz, dass Kinder gern bis zur nächsten Erzählsequenz zuhören. Christian Brückner kann seine Zuhörer gekonnt in seinen Bann ziehen. 52 Sekunden Applaus des Livemitschnitts zeugen dafür, dass dieses Modell bei den Kindern „angekommen“ ist. Und sie haben annähernd eine Stunde einer Geschichte gelauscht und einer Musik zugehört, von der sie nicht täglich umgeben sind. Das gefällt mir – Musiklehrerin und Großmutter – sehr!

Es bleibt allerdings die Frage nach der Legitimität: Kann/soll/darf man Musik, die ihre ganz eigene Bestimmung hatte, auf diese Art fragmentieren, um sie einem völlig neuen Programm anzuverwandeln? Was sagt Hans Werner Henze dazu?
Bärbel Becker

das Orchester 5/2012