Konzert „Pechvogel und Glückskind“

Posted on Dez 13, 2016 in Presse

Hier darf nicht geweint werden!

BERNHARD HAAGE | 29.11.2016 0   0

 

In der Reihe der Musikalisch-Literarischen Salons ging am Sonntag ein Familienkonzert über die Bühne. Ute Kleeberg und Uwe Stoffel vom Verlag Edition See-Igel haben aus Richard von Volkmann-Leanders  Märchen „Pechvogel und Glückskind“ eine musikalisch begleitete Neuerzählung geschaffen. Märchen und Musik gibt es auf einer neuen CD der Edition – live zu erleben war die Produktion am Sonntag in der Stadthalle Reutlingen.

Die Musiker waren andere, aber Geschichte, Erzähler und die Zusammenstellung der Werke entsprachen denen auf der neuen CD. Der Schauspieler Samuel Weiss las und erzählte die Geschichte vom ewigen Pechvogel auf eine sehr ansprechende und lebendige Weise. Von Anfang an hing das Publikum an seinen Lippen und geriet dabei in einen empathischen Strudel aus Mitgefühl und Bedauern.

Dass dem Ärmsten alles schiefging, war ja schon schlimm genug. Dass er aber auch noch bei einer langen dürren und einer kleinen dicken Tante aufwachsen musste, die ihn immerzu schlugen, war schon ein starkes Stück. Das Publikum war bei ihm, als Pechvogel diesem grässlichen Zuhause endlich den Rücken kehrte, und es begleitete ihn, als er völlig hoffnungslos in die weite Welt hinausstolperte.

Nein, einer wie Pechvogel – der unglücklicherweise auch noch so hieß – hatte natürlich keinen Grund zum Lachen. Und so blieb das auch, bis er endlich an ein Schloss mit einem großen Garten gelangte. „Eintritt erlaubt. Aber hier darf nicht geweint werden!“ verkündete ein Schild am Eingang. Keine leichte Aufgabe für einen Pechvogel. Aber die Neugierde siegte, und schließlich traf der Unglückliche auf Prinzessin Glückskind, die mit einem Kuss sein Leben und ihr eigenes buchstäblich auf den Kopf stellte.

Musikalisch umrahmt wurde die anrührende Geschichte von Werken für Violine und Klavier von Benjamin Godard, Gabriel Fauré, Reinhold Glière und Bruno Maderna.  Als dessen höchstromantische  „Serenade für Claudia“ aus dem Jahr 1968 erklang, hatte sich freilich alles bereits zum Guten gewendet. Was im Märchen bedeutet, dass Pechvogel inzwischen Prinz, zukünftiger Thronfolger des Königs und, an der Seite seiner Prinzessin, ausgesprochen fröhlich war.

Wieder einmal habe die Macher der Edition Seeigel ein geschicktes Händchen bei der Auswahl der musikalischen Stücke bewiesen. Am Sonntag wurden sie von Nina Karmon (Violine) und Terhi Dostal (Klavier) mit großer Dynamik vorgetragen. Besonders die Klavierspielerin, hochschwanger im roten Glitzerkleid, ragte heraus: Sie begleitete die Lesung mit einer intensiven Mimik, die für sich genommen schon ein tolles Schauspiel war. Dagegen wirkte Karmons Auftritt eher unprätentiös, aber musikalisch völlig überzeugend.

Nach der musikalischen Lesung hatten die rund  hundert Zuhörerinnen und Zuhörer die Gelegenheit, sich auf der Bühne mit den Akteuren zu unterhalten. Vor allem viele Kinder nahmen dieses Angebot gerne an und inspizierten Musikerinnen, Erzähler und Musikinstrumente aus allernächster Nähe.

Südwestpresse 29.1.2016   Bernhard Haage